Schön, aber nicht zu schön
„Männer machen Karriere, Frauen Diät“ – das Zitat ist schmerzhaft, weil so viel Wahres dran ist. Die Schönheitspolizei ist speziell im Leben der Frauen ein täglicher Begleiter, der das Spiegelbild mit fiesen Kommentaren anfeindet oder nach kalorienreichen Mahlzeiten ein schlechtes Gewissen einflüstert. Obwohl Trends zu „Body Positivity“ („Liebe deinen Körper, so wie er ist“) oder „Body Neutrality“ („Akzeptiere deinen Körper, auch wenn du ihn nicht liebst“) in den letzten Jahren präsenter wurden, erweitert sich die Toleranz gegenüber den eigenen Frauenkörpern kaum merklich. Nicht einmal reflektierte Feministinnen entkommen der Jagd nach Schönheitsidealen, auch sie machen Geschäfte mit der milliardenschweren Kosmetikbranche. Schließlich gilt es, ein ansozialisiertes Bild von Weiblichkeit aufrechtzuerhalten, egal wie anstrengend, zeitintensiv und gesundheitsschädigend das sein mag.
Die Belohnung winkt in Form des „Pretty Privilege“, dem „Schönheitsprivileg“, welches das Stereotyp bedient, dass attraktive Menschen positivere Eigenschaften besitzen als weniger attraktive Menschen. Schöne Menschen gelten als intelligent, kompetent und moralisch charakterstark. Am Arbeitsmarkt führt gutes Aussehen zu besseren Jobchancen und besserer Bezahlung. Aber Achtung, auch hier gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede: Während gutaussehende Männer eher als kompetente Führungskräfte wahrgenommen werden, haben schöne Frauen aufgrund von sexistischen Vorurteilen weniger Chancen auf leitende Positionen.
„Sei schön, aber nicht zu schön“ – so also die zusammenfassende Devise. Natürlich schön. Schön genug, um geheiratet zu werden. Nicht schön genug, um Konkurrenz für andere Frauen darzustellen oder als dümmlich abgestempelt zu werden. Ein Kraftakt, vor allem unter dem Umstand, dass sich nur ein Prozent der österreichischen Frauen überhaupt als schön bezeichnet.
Verfasserin: Anna Majcan, Sprecherin des Grazer Frauenrats
Erschienen in: Kleine Zeitung 03.05.2024